In den vergangenen Jahren ist die Darmflora immer mehr in den Fokus der Multiple-Sklerose Forschung gerückt. In Zwillingsstudien, bei denen ein Zwilling Multiple Sklerose hat und der andere nicht, wurde bereits herausgefunden, dass neben einer genetischen Vorbestimmung mindestens ein weiterer Umweltfaktor Multiple Sklerose auslösen muss. Im Verdacht stehen seit langem Vitamin-D-Mangel und Infektionen, wie z. B. durch Epstein-Barr-Virus.
Bereits im Jahr 2017 beobachtete der Sobek-Preisträger Hartmut Wekerle und Gurumoorthy Krishnamoorthy von den Max-Planck-Instituten (MPI) für Neurobiologie und Biochemie mit deren Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem MPI Universitäten von California (San Francisco) und Münster, dass der Darm auch ein möglicher Auslöser für Multiple Sklerose darstellen kann. Das deutsch-amerikanische Forscherteam übertrug das Mikrobiom von Multiple-Sklerose betroffenen Zwillingspartnern auf keimfrei gehaltene Mäuse. Die infizierten Mäuse entwickelten daraufhin eine der menschlichen MS sehr ähnlichen Krankheit. Dieses Experiment zeigte somit, dass das Mikrobiom genügt, um die T-Zellen (T-Helfer-Zelle der Lymphozyten, dient der Immunabwehr) den eigenen Körper angreifen zu lassen.
Die Forscher vom Klinischen Forschungsschwerpunkt Multiple Sklerose der Universität Zürich (Schweiz) haben nun den möglichen Verursacher von Multiple Sklerose im Zentralen Nervensystem gefunden. Dass bei MS-Patienten die Isolierungsschicht (Myelin) der Nerven zerstört wird, ist seit langem bekannt. Man weiß außerdem, dass es sich um eine Autoimmunreaktion handelt, also körpereigene Abwehrzellen, welche das Myelin zerstören. Die neue Studie durch die Universität Zürich zeigt nun, dass im Darm aktivierte T-Zellen ihren Weg in das Gehirn finden und dort das vom Körper gebildete Enzym GDP-L-Fucose-Synthase angreifen. Dieses Enzym wird insbesondere für die Myelinbildung benötigt. Die Myelinschicht nimmt somit Schaden und wird “ausgehungert”. Entdecken konnten die Forscher dies, da in Gehirnen von MS-Patienten zahlreiche T-Zellen mit dem Rezeptor der GDP-L-Fucose-Synthase gefunden wurden. Sie konnten somit den “Angreifer” auf frischer Tat im Gehirn beobachten.
Chancen für die MS-Therapie
Die Chance für die Multiple Sklerose Therapie kann nun unter anderem darin bestehen, von einer unspezifischen Immunsuppression hin zu einer gezielten Umerziehung des Immunsystems und einem Aufbau der Darmflora zu kommen. Hierzu zeigte ein Forscherteam im April 2018 deutlich, dass Probiotika die Darmflora verändern und so ein Gewinn für die MS-Therapie sein können.
Therapiemöglichkeiten bei Multiple Sklerose
Quellen
- Amsel e. V.: “Rolle der Darmflora bei MS bisher unterschätzt?”. URL: https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/rolle-der-darmflora-bei-ms-bisher-unterschaetzt/
- Amsel e. V.: “Rolle der Darmflora bei Multipler Sklerose verdeutlicht”. URL:Â https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/rolle-der-darmflora-bei-multipler-sklerose-verdeutlicht/
- Amsel e. V.: “Darmflora&Multiple Sklerose”. URL:Â https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/darmflora-multiple-sklerose/
- Amsel e. V.: “Darmflora als Ursache für Multiple Sklerose?”. URL: https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/darmflora-als-ursache-fuer-multiple-sklerose/
- Amsel e. V.: “Bei Multipler Sklerose den Darm mitbehandeln?”. URL: https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/bei-multipler-sklerose-den-darm-mitbehandeln/Â
- Bredberg, Anders; Westström, Björn et al.: “Intestinal Barrier Dysfunction Develops at the Onset of Experimental Autoimmune Encephalomyelitis, and Can Be Induced by Adoptive Transfer of Auto-Reactive T Cells”. URL: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0106335
- Prinz, Prof. Dr. Marco: “Darmbakterien sorgen für gesundes Gehirn”. In: “Pressemitteilungen” des Universitätsklinikums Freiburg. URL: https://www.uniklinik-freiburg.de/nc/presse/pressemitteilungen/detailansicht/presse/460.html
- Rösch, Dr. Harald: “Natürliche Darmflora an Entstehung von multipler Sklerose beteiligt”. In: “Pressemitteilungen” des Max-Planck Institutes. URL: https://idw-online.de/de/news447692