Welche Aufgaben haben die Mandeln?
Die Gaumenmandeln liegen am Übergang von der Mundhöhle zum Schlund zwischen vorderem und hinterem Gaumenbogen. Sie sind, neben anderen Geweben des Körpers, für die Ausbildung des Immunsystem mit verantwortlich. Der Körper lernt, körperfremde und schädliche Stoffe wie Viren oder Bakterien abzuwehren.
Die Ausbildung des Immunsystems erfolgt in den ersten Lebensjahren. Die Größe der Mandeln nimmt vom 1. bis 3. Lebensjahr stetig zu (Gipfel um das 3. und 7. Lebensjahr). Mit Beginn der Pubertät bilden sie sich langsam wieder zurück. Danach haben die Tonsillen keine entscheidende Funktion mehr, sodass deren Entfernung meist auch keinerlei Beschwerden nach sich ziehen.
Herd für andere entzündliche Krankheiten
Die chronische Entzündung der Mandeln kann ein „Herd“ (Focus) für andere entzündliche Krankheiten sein. Durch Verbreitung der Bakterien und Bakterienprodukte in den Körper kann es so zu Entzündungen in anderen Organen kommen: z.B. Gelenkschmerzen, Herzrhythmusstörungen oder Nierenschmerzen sowie Hautprobleme. Bei der chronischen Mandelentzündung liegt eine Art „Dauerentzündung“ des Mandelgewebes vor.
Bakterienprodukte und abgestorbene Zellen lagern sich im Mandelgewebe (in den Krypten) ab und unterhalten eine ständige Entzündung. Das führt zur zunehmenden Vernarbung und Zerklüftung des Gewebes, wodurch das Krankheitsgeschehen weiter vorangetrieben wird. Bei einer chronischen Gaumenmandelentzündung findet man meist narbig veränderte, mit der Umgebung verwachsene und durch Spateldruck nicht aus dem Gaumenmandelbett herausdrückbare Tonsillen. Aus dem Mandelgewebe kann trübes Sekret oder eine feste, krümelige Detritusmasse ausgepresst werden. Die Mandeln erscheinen meist nicht vergrößert, sondern eher narbig geschrumpft (atroph). Bei der chronischen Mandelentzündung fällt die zerklüftete Oberfläche der Tonsillen auf.
Im Blutbild ist die Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gering oder gar nicht ausgeprägt. Auch die Blutsenkungsreaktion ist meist nur geringgradig beschleunigt. Im Abstrich aus den Mandelkrypten sind oft Bakterien (Streptokokken) nachweisbar. Im Blut sind manchmal vermehrt Antikörper (ASL = Antistreptolysin) gegen Gifte (Toxine) der Streptokokken feststellbar. Die Entzündung spielt sich entweder nur in den Krypten oder auch im Parenchym und im peritonsillären Gewebe ab.
Zahlreiche Autoimmunerkrankungen werden durch bakterielle oder virale Infektionen ausgelöst. Dabei wird in einem genetisch prädisponierten Individuum durch den infektiösen Erreger eine Immunantwort ausgelöst, die sich letztendlich gegen körpereigene Strukturen richtet und so eine chronische, organschädigende Entzündung vermittelt.
Eine der am längsten bekannten, durch Infektionen ausgelösten Autoimmunerkrankungen sind die sogenannten Streptokokken-Nachkrankheiten. Zu dieser Gruppe gehören das rheumatische Fieber mit Entzündungen des Herzmuskels und der Herzklappen, Gelenksentzündungen, Entzündungen der Niere (Glomerulonephritis) und des Zentralnervensystems. Sie werden ausgelöst durch eine Tonsillitis/Mandelentzündung mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A nach Lancefield, einem gram-positiven Bakterium.
Streptokokken-Nachkrankheiten spielten über die Jahrhunderte vor allem in der „vorantibiotischen Ära“ eine große Rolle, da sie mit erheblicher Morbidität und auch Mortalität verbunden waren. Auch heute kommt es immer wieder zu Epidemien, die vor allem in den Entwicklungsländern, aber auch in der westlichen Welt mit entsprechenden Krankheitsfolgen verbunden sind.
Ursache einer chronischen Mandelentzündung aus naturheilkundlicher Sicht
Eine chronische Tonsillitis ist ebenso wie beispielsweise ständige Mittelohrentzündungen oder Ergüsse in den Ohren eine Reaktion des Körpers auf falsche Ernährung und/oder auf eine chronische Darmstörung. Aus diesem Grund empfehle ich in solchen Fällen immer eine Ernährungsoptimierung, Nahrungsunverträglichkeitstests und mikrobiologische Darmsanierung.
Achtung: die Eiterpfröpfe entdeckt man nur, wenn die Mandeln mit dem Spatel von unten nach oben ausgequetscht werden. Welcher Arzt macht sich die Mühe?
Ergo wird dieser Herd häufig übersehen.
Symptome der chronischen Mandelentzündung
- Wiederkehrende Infekte (ein Infekt jagt den Nächsten).
- Ständige Lymphknotenschwellung im Halsbereich.
- Keine bis geringe Schluckbeschwerden.
- Bei Mandelpfröpfen (Detritus): Mundgeruch und schlechter Geschmack im Mund.
- Meist uncharakteristische Schluckbeschwerden und häufiges Kratzen im Hals.
- Immer wiederkehrendes Gefühl, einen „dicken Hals“ zu haben.
- Trockenheitsgefühl im Rachen.
- Histologie: Detritus (Pfröpfe) aus Epithelien, Bakterien, Lymphocyten und Leukocyten in den Krypten.
Befund
- Tonsillenoberfläche zerklüftet und narbig verändert.
- Vorderer Gaumenbogen gerötet
- Luxierbarkeit der Tonsillen aus den Tonsillenlogen aufgehoben
- Detritus und Eiter aus den Tonsillen ausdrücken
- Tonsillenhyperplasie
- Können aber auch klein und atrophiert (geschrumpft) sein.
Antibiotika als Lösung für Mandelentzündungen?
„Mediziner verabreichen bei Streptokokken-Infektionen meist Penicillin“, sagt Prof. Singh Chhatwal, Bereichsleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. „Das ist, wie neuere Erkenntnisse vermuten lassen, nicht die optimale Wahl.“ „Seit kurzem weiß man, dass die klinisch bedeutsamen Gruppe A-Streptokokken dauerhaft in menschlichen Zellen überleben können”, erklärt Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Manfred Rohde. „Sie verstecken sich beispielsweise in den Zellen des Mandelgewebes.“ Lange Zeit machen sich die Bakterien dann nicht bemerkbar, irgendwann allerdings kommen sie wieder zum Vorschein und dringen in andere Körpergewebe vor, der Patient erkrankt aufs Neue.
Penicillin dringt nicht in die Epithelzellen ein!
Eine solche persistierende Infektion lässt sich mit Penicillin nicht dauerhaft besiegen. Der Grund: „Das Penicillin kann gar nicht in die Epithelzellen der Mandeln eindringen“, sagt Rohde. „Folglich zerstört es die dort überdauernden Streptokokken auch nicht.“ Eine mögliche Lösung sieht der Mikrobiologe darin, auf andere Antibiotika auszuweichen: „In unseren Zellkulturen zeigte sich, dass Medikamente wie Erythromycin oder Azithromycin sehr wohl in die Epithelzellen gelangen. Sie entfalten dort auch ihre Wirkung und töten die Keime, die sich im Zellinneren festgesetzt haben.“
Achtung: Wenn Sie sich zu dem Versuch entschließen, dann müssen wir gleichzeitig Ihre Darmflora stützen!
Therapie der Wahl
- Tonsillektomie (Mandelentfernung)
Indikationen zur TonsillektomieÂ
- Chronische Tonsillitis mit Beschwerden
- Verdacht auf Focus (ASL Wert erhöht, Eiterpfröpfe)
- Rezidivierende Anginen (OP soll im beschwerdefreien Intervall erfolgen)
- Nicht abheilender oder rezidivierender Peritonsillarabszess
- Sepsis nach Angina tonsillaris
- Hypertrophe Tonsillen als mechanische Behinderung!
Prognose
Die Mandeloperation führt meist zu einer Besserung der lokalen Symptomatik und des Allgemeinbefindens. Es wird fast immer eine bleibenden Beschwerdefreiheit erreicht. Ohne immunologische Nachbehandlung (die wir praktizieren) kann der Erfolg der Mandelentfernung durchaus mehrere Monate auf sich warten lassen. Selten tritt nach Mandelentfernung infolge bakteriologischer oder viraler Infektionen eine Rachenentzündung (Pharyngitis) verstärkt auf.
Erkrankungen, bei denen der Ausgangsherd in den Tonsillen vermutet wurde, werden manchmal nur zum Teil gebessert, zum Beispiel wenn noch zusätzlich eine Epstein-Barr Viruserkrankung vorliegt. Allerdings spricht das nicht gegen die Entfernung des chronischen Herdes.
Studie: Effekt der Fokus-Tonsillektomie bei chronischen Dermatosen – Klinische Studie und Metaanalyse
Müller A1, Neuber K2, Metternich FU1, Wenzel S11Univ. HNO-Klinik, Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Deutschland; 2Klinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg
Hintergrund:Â
Subklinische und rezidivierende Streptokokken-Infektionen gelten als entscheidender Faktor in der Pathogenese chronischer Dermatosen. Die Rolle der Tonsillen als Fokus und der Effekt der fokussanierenden Tonsillektomie (TE) ist bis heute nicht exakt definiert.
Methode:
Der klinische Verlauf von 20 konsekutiven Patienten mit chronischer Psoriasis, Urtikaria und atopischem Ekzem wurde mindestens 12 Monate nach Fokus-TE dermatologisch beurteilt. Zur Einschätzung der erhobenen Befunde wurde eine Metaanalyse der internationalen Literatur durchgeführt.
Ergebnisse:Â
Bei 35% (7 / 20) der Patienten konnte anamnestisch und dermatologisch eine deutliche Besserung bzw. Heilung durch die OP erreicht werden. 65% (13 / 20) wurden als nur gering gebessert bzw. unverändert klassifiziert. Die Metaanalyse der relevanten Publikationen ergab eine Effektivität der Fokus-TE von 83% (Konfidenz: 80,72–85,82%) für die verschiedenen Psoriasisformen. D.h. in 17% (Konfidenz: 14,1–19,28%) erbrachte die OP keinen dermatologisch meßbaren Erfolg. Die beste Ansprechrate wies die Pustulosis palmaris et plantaris (88%) auf, die schlechteste die chronische Urtikaria (0%).
Schlussfolgerung:Â
Entgegen der klinischen Empirie kann insbesondere entsprechend der Metaanalyse ein eindeutig positiver Effekt der Fokus-TE auf den klinischen Verlauf vor allem der chronischen Psoriasis dargestellt werden. Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Morbidität sollte die fokussanierende Tonsillektomie weiterhin als Therapieversuch im Behandlungskonzept chronischer Dermatosen berücksichtigt werden.